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Raus aus dem Teufelskreis

– Von Ausschlafen, Urlaub und Feierabend während der Promotionszeit

Zugegeben, es war eher unüblich: In den letzten zwei Jahren meiner Promotion, der hauptsächlichen Schreibphase, habe ich jeden Morgen ohne Wecker ausgeschlafen, vor 10 Uhr war ich selten im Büro, denn auch wenn ich Lerche heiße, bin ich eher eine Eule. Die Mittagspause war ausgiebig und schloss mit einem gemeinsamen Kaffee mit den Kolleg:innen ab, Feierabend war nie später als 18 Uhr, eher früher. Die Wochenenden waren ausnahmslos dissertationsfreie Zone und drei Wochen Sommerurlaub habe ich mir ebenfalls nicht nehmen lassen. Also kurz: Ich habe das getan, was unter Promovierenden schon mal eine gerümpfte Nase bedeuten kann: die Freizeit ohne schlechtes Gewissen genießen, den Urlaub wirklich zum Ausspannen nutzen. Meine Dissertation habe ich drei Monate nach Projektende abgegeben, mit einem guten Gefühl.

Warum Pausen wichtig sind

In der Theorie ist relativ einfach erklärt, warum Pausen so wichtig sind. Wenn ich mir keinen legitimen, verdienten Feierabend gönne, regeneriere ich mich nicht. Hierdurch fehlt am nächsten Tag die Konzentration, die für das Arbeiten an einer Dissertation notwendig ist. Der Frust steigt, nicht zu schaffen, was ich mir vorgenommen habe, weshalb ich mich mehr Stunden, als gesund wären, an den Schreibtisch kette. Der Feierabend wird gestrichen, das Wochenende gleich mit, und nun fehlt die Regeneration erst recht, und damit die Konzentration, die notwendig wäre ... der Teufelskreis dreht sich, abwärts.

Und warum Pausen trotzdem nicht gemacht werden

Trotzdem erzählen mir Promovierende regelmäßig, dass sie allenfalls mit schlechtem Gewissen Feierabend machen, dass sie Wochenenden durcharbeiten und der letzte Urlaub nur noch eine blasse Erinnerung ist. Dass sie alles, was ihnen guttut, gestrichen haben, Spaziergänge, Treffen mit Freund:innen, Kino, Sport, Radtouren, Eis-Essen ... Je größer der Druck ist, endlich fertig zu werden, desto eher, so scheint mir, werden Pausen gestrichen, wird gegen den eigenen Bio-Rhythmus früh aufgestanden, gutes Essen durch Schokoriegel ersetzt. Und dies geht nicht nur zulasten der Gesundheit. Es wirkt sich auch negativ auf die Qualität aus, denn gute Texte müssen abhängen wie ein reifender Schinken, die Denk-Freiräume sind notwendig, damit sich Gedanken setzen und klären können. Und über die hohe Konzentration, die für komplexes wissenschaftliches Arbeiten notwendig ist, verfügen wir nun mal nur eine begrenzte Zeit pro Tag.

Nun bedeutet Promotion nicht zwangsläufig, frei über alle Zeit verfügen zu können. Ich hatte das große Privileg, in einem Forschungsprojekt schreiben zu können und so ohne andere Verpflichtungen in Vollzeit zu promovieren. Promovierende mit kleinen Kindern hingegen erledigen mal eben neben der Promotion einen weiteren Vollzeitjob. Andere haben einen bezahlten, dissertationsfernen Vollzeitjob (oder, gerne an der Uni, einen bezahlten Teilzeitjob, der faktisch ein Vollzeitjob ist), sodass für die Promotion ohnehin nur der Feierabend und das Wochenende bleiben. Und wieder andere promovieren in Vollzeit, z.B. mit einem Stipendium, und geraten genau deshalb in den Teufelskreis, weil sie bei der vielen Zeit doch eigentlich mehr schaffen müssten, und das nicht Geschaffte dann am Wochenende versuchen nachzuholen, die Pausen streichen ...

Schreibtipp: Hilfreiche Strategien wiederentdecken

Um aus dem Teufelskreis auszubrechen, gibt es viele Möglichkeiten. Und meistens wissen wir sehr genau, was uns eigentlich guttut. Nur haben wir, gerade in stressigen Zeiten, diese individuell passenden Strategien häufig einfach vergessen.

Mache deshalb ein Freewriting, Cluster, eine Stichpunktliste oder Gekritzel zu den Fragen:

  • Welche Strategien haben mir schon einmal geholfen, mich zu organisieren, ins Schreiben zu kommen, dranzubleiben, etwas abzuschließen?
  • Welche von diesen Strategien sind in Vergessenheit geraten und könnten gut wieder hervorgeholt werden?
  • Wähle im Anschluss ein bis drei Strategien aus, die du wieder in deinen Alltag integrieren möchtest.

Übrigens: Was aus meiner Erfahrung am häufigsten vergessen wird, ist, die Zeit unmittelbar vor Arbeitsbeginn gut zu gestalten. Dies kann die Tasse Kaffee auf dem Balkon sein, ein Morgenspaziergang, eine kleine Meditation, Zeitunglesen, Morgenseiten schreiben oder einfach nichts tun – für 10 Minuten oder eine Stunde. Kurz: Schaffe dir ein Anfangsritual, das dir hilft, zur Ruhe zu kommen und ganz bei dir zu sein.

Individuelle Strategien entwickeln

Für die Arbeitsphase gilt: Strategien sind individuell und dann richtig, wenn sie für dich funktionieren. Den einen hilft, früh aufzustehen, andere sind produktiv, wenn sie ausschlafen. Manche arbeiten besser morgens, andere abends oder nachts. Die einen bereiten am Tagesende die nächsten Arbeitsschritte vor, andere entscheiden spontan, was gerade passt. Die einen schreiben im stillen Kämmerlein, die anderen mit der lebendigen Geräuschkulisse eines Cafés. Die Arbeitsphase muss dabei nicht lang sein. Eine halbe oder eine Stunde konzentriertes Arbeiten ist produktiver, als sich mehrere Stunden unproduktiv zu quälen.

Und damit Pausen und Feierabend wirklich zur Erholung da sind: nimm dir Zeit für die Mittagspause, gestalte den Feierabend, belohne dich für alles, was du geschafft hast (egal, wie viel oder wenig du geschrieben hast). Und wenn du dich in diesen Zeiten gut erholst, hast du auch wieder die Konzentration für die Dissertation, und der Teufelskreis ist durchbrochen.


Schlagwörter

Aufschieben, Dissertation, Gesundheit, Prokrastination, Selbstcoaching, Selbstwirksamkeit, Wissenschaftliches Schreiben

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