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Mit der Hand schreiben? Heute noch? Aber ja!

J.K. Rowling sagte einmal in einem Interview, dass sie alle sieben Harry Potter-Bände mit der Hand geschrieben hätte. Dabei würden die Gedanken einfach besser fließen. In Zeiten von Laptop, Netbook und Tablet, die auch nicht größer als eine Schreibkladde sind und überall hin mitgenommen werden können, scheint es unsinnig, erst mit der Hand zu schreiben, um das Ganze dann hinterher abtippen zu müssen. Doppelte Arbeit. Also wozu das Ganze?

Von der Schreibmaschine zum Computer

Ich habe Mitte der 90er Jahre studiert und gehörte damit zu der Generation, die im Studium von Beginn an am Computer schrieb. Freunde, die in früheren Zeiten studiert hatten, erzählen oft davon, wie mühselig es war, erst alles vorzuschreiben, dann mit der Schreibmaschine abzutippen, mit Tipp Ex-Kärtchen Fehler auszumerzen, oft alles erneut abtippen zu müssen, weil nochmal Absätze oder ganze Teilkapitel verschoben werden mussten. Keine Frage: Computer haben das Schreiben und Überarbeiten gerade von umfangreichen und komplexen Texten enorm erleichtert.

Schreiben und Überarbeiten

Und doch ist dabei auch etwas verloren gegangen. Wer am PC oder Laptop schreibt, mischt schnell die Phasen des Schreibens und des Überarbeitens. Ein Satz wird geschrieben, direkt geprüft, vielleicht gleich wieder gelöscht, weil er noch nicht exakt das trifft, was er sagen soll. Das kann funktionieren, wenn der Text kurz ist und ich schon recht genau weiß, was ich sagen möchte. Aber gerade wenn ich das Schreiben als Denkwerkzeug nutze, die Gedanken im und mit dem Schreiben kläre, komme ich nur in einen Flow, wenn ich den inneren Modus „Überarbeiten“ ausschalte und mich auf das konzentriere, was ich inhaltlich sagen möchte – ohne den Anspruch, das der Text schon fertig sein muss. In diesen Modus „Schreiben“ gelange ich leichter, wenn ich mit der Hand schreibe, weil dieser Text per se unfertig ist und deshalb die Gedanken freier und unzensierter fließen dürfen – der innere Kritiker wird vor die Tür geschickt.

Die Arbeit wird sichtbar und greifbar

Und ich sehe auch direkt, was ich geschafft habe und kann das Geschriebene nicht mehr löschen. Am Bildschirm dagegen, gerade bei komplexen Schreibprojekte wie einem Sachbuch, einer Masterarbeit oder einer Dissertation, verschwindet das Geschriebene ständig am oberen Rand des Bildschirms wie in einem schwarzen Loch – und schon wieder ist der verdammte Bildschirm leer und starrt mich vorwurfsvoll an. Beim Schreiben auf Papier dagegen wächst der Stapel beschriebenen Papiers, füllt sich die Kladde Seite um Seite, wird die eigene Arbeit greifbar im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn dann der Text eine Weile gereift ist, abgehangen ist wie ein geräucherter Schinken, dann kann ich mich dem Überarbeiten widmen: umstellen, streichen, ergänzen, feilen. Und dafür ist ein Computer oder Laptop Gold wert.

Und welche Erfahrungen hast du damit gemacht, mit der Hand zu schreiben?

 

Schlagwörter

Handschriftlich, Innerer Kritiker, Schreibblockade, Starten, Wissenschaftliches Schreiben, Berufliches Schreiben, Kreatives Schreiben

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