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Zwei Meisen im Dialog

Schreiben als Dialog

Wenn ich eine E-Mail oder – ganz altmodisch - einen Brief oder eine Postkarte schreibe, sehe ich die Person, die ich adressiere, vor mir. Ich überlege mir, welches Wissen sie hat, was ich erklären muss, was ich voraussetzen kann. Ich knüpfe vielleicht an eine frühere E-Mail an, antworte oder stelle eine Frage. Kurz: Ich trete in einen Dialog.

Aber wie ist das bei einem Text, deren Adressat*innen ich nicht oder nur vage kenne? Wenn ich ein Sachbuch oder eine wissenschaftliche Arbeit schreibe, eine Bewerbung verfasse oder einen Webseitentext für mein Unternehmen schreibe? Hier schreibe ich gefühlt an die weite Welt und weiß noch nicht, auf welche Resonanz mein Text trifft. 

Wer liest deinen Text?

Nicht zu wissen, wer den Text liest oder wie Lesende auf den Text reagieren werden, kann das Schreiben erschweren oder sogar blockieren. Doch es gibt ein einfaches Mittel dagegen: Stell dir vor, du triffst dich mit der Person, die deinen Text lesen wird, und führst mit ihr ein freundliches konstruktives Gespräch über den Inhalt deines Textes.

So geht’s:

Das Setting

Überlege dir zuerst, wer die Person ist, mit der du dich austauschst. Wie sieht sie aus, was verkörpert sie, wie begegnet sie dir?

Gestalte dann euren Treffpunkt nach deinen Vorstellungen: Wie sieht der Raum aus? Sitzt ihr in bequemen roten Plüschsesseln oder in der Sonne auf einer Bank? Steht vor euch eine Tasse duftender Kaffee? Möchtest du noch schnell zu den Schoko-Keksen greifen, bevor das Gespräch beginnt? Welches Bild hängt an der Wand? Was sieht du, wenn du aus dem Fenster blickst?

Der Dialog

Eröffne nun schreibend das Gespräch und beginne mit der Begrüßung, z.B.:

„Schön, dass Sie gekommen sind“ oder „Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, ….“

Schreibe von hier aus einen Dialog und lasse dein Gegenüber Fragen stellen, auf die du antwortest. Versetze dich in den anderen Menschen hinein und höre zu, was ihn interessiert. Du kannst z.B. fragen lassen: „Worum geht es bei Ihrem Text?“ oder: „Hm ja, das ist wirklich spannend. Können Sie mir nochmal genauer den Kontext erklären?“ oder: „Habe ich richtig verstanden, dass es um … geht?“ oder „Interessant, über das Thema habe ich noch nie nachgedacht. Was begeistert Sie selbst daran?“

Du kannst dich auch entscheiden, kritisch-konstruktive Fragen zuzulassen, wenn sie dich stärken, z.B.: „Das Argument überzeugt mich schon sehr, was sind weitere Argumente für Ihr Vorgehen?“ oder „Hier muss ich nochmal nachhaken. Meinen Sie …?“ oder „Ich frage mich grade, ob Ihr Vorgehen realistisch ist. Wie möchten Sie das umsetzen?“

Schreiben mit Resonanz

Lasse den Dialog intuitiv fließen. Das spannende daran ist, dass du mit den Fragen automatisch die Perspektive deiner Lesenden einnimmst. Du gehst von ihren Fragen aus, von ihrem Wissen, von ihren Interessen. Damit bekommt dein Text einen Fokus auf das, was die Neugier deiner Adressat*innen weckt. Und dir erleichtert es das Schreiben, weil die konkrete Gesprächssituation unserer Kommunikation im Alltag entspricht und in deinem selbstgewählten fiktiven Dialog alles, was du sagst, auf wohlwollende Resonanz treffen darf.

Den Text in Form bringen

Wenn du den Dialog geschrieben hast, lasse ihn erstmal ruhen. Vielleicht bittest du eine andere Person, ihn zu lesen und alles zu unterstreichen, was sie anspricht. Oder du liest dir deinen Text selbst mit dieser Neugier-Brille durch. Davon ausgehend kannst du ihn nun so überarbeiten, dass er der Textform entspricht, in der du schreiben möchtest. Und vielleicht bringst du sogar einige der Fragen im Text unter, denn mit Fragen kannst du deinen Text für die Lesenden und für dich selbst strukturieren. 

 

Prokrastination, Starten, Blog/Schreibprozess

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