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Grünes Licht für Ihre Schreibprojekte

Ein Gastbeitrag von Dr. Andrea Klein – Dozentin, Coach und Autorin mit dem thematischen Fokus auf wissenschaftliches Arbeiten

Ausgebremst?

In diesem Beitrag zeige ich Ihnen, wie Sie sich selbst helfen können, wenn die Lehrveranstaltungen Sie beim Schreiben Ihrer wissenschaftlichen Arbeiten eher ausbremsen, als dass sie Ihnen weiterhelfen.

Welche Erfahrungen machen Studierende in nicht schreibförderlichen Settings?

  • Sie kennen das Ziel ihres Schreibens nicht.
    Weder wissen die Studierenden, warum sie eigentlich überhaupt schreiben sollen, noch kennen sie die genauen Anforderungen. Wenn sie sie kennen, verstehen sie sie oft nicht. Die Studierenden tappen im Dunkeln und schreiben vor sich hin. Oder sie schreiben eben auch nicht vor sich hin, denn oftmals führen solche unklaren Ausgangslagen zu einem Schreibstopp.
  • Die Schreibaufgabe ist ungeeignet.
    Oftmals werden „zu große“ und/oder nicht sinnvolle Aufgaben gestellt. Es handelt sich bei diesen Aufgaben mehr um Themen („Überschriften“) denn um Fragen, und beim Formulieren der Frage tun sich viele Studierende sehr schwer. Sehr schwer! Besser würde das Schreiben wohl mit situierten Aufgaben gelingen, die mit Herausforderungen aus dem anvisierten Berufsfeld verknüpft sind.
  • Feedback ist kein Teil des Lernprozesses.
    Je nach Ausgestaltung eines Studiengangs ist Feedback überhaupt nicht vorgesehen oder findet nur statt, wenn sich die Lehrperson sehr engagiert. Die Studierenden erhalten im schlechtesten Fall nur summatives Feedback, also bewertendes Feedback nach der Abgabe und leiten dann aus der Note ab, wie ok die Arbeit war. Formatives Feedback, also Feedback im Prozess, wird – wenn überhaupt – spät gegeben. Oft haben die Studierenden in der Zwischenzeit bereits weitere Arbeiten geschrieben und ihre Fehler wiederholt.

In der Summe resultiert aus den genannten Umständen oft eine fatalistische Haltung: „Ich weiß gar nicht, wie ich das schaffen soll. So eine Qual! Das wird nie was!“

Selbstwirksamkeitserwartung: null

Alltagssprachlich handelt es sich bei Selbstwirksamkeit um die Überzeugung, mit dem eigenen Handeln etwas bewirken zu können. Deswegen drücken kleine Kinder ja so gern auf den Knopf der Fußgängerampel: Ich drücke, jetzt halten die Autos an, dann wird es grün für uns und wir dürfen über die Straße gehen.

Übertragen auf den Studienalltag: Ich strenge mich an und investiere Zeit und Herzblut, und am Ende steht ein guter Text, der im Idealfall mit einer guten Note belohnt wird. Die Erfahrung von Selbstwirksamkeit wird vielen Studierenden beim wissenschaftlichen Arbeiten jedoch versagt bzw. nur mit sehr großer Verzögerung ermöglicht. Das beginnt mit dem fehlenden formativen Feedback: Wenn Lehrende Feedback nicht einplanen und auch für Fragen der Studierenden nicht erreichbar sind, fällt es schwer, ein Gespür dafür zu entwickeln, welche Passagen im Text gut und welche weniger gut gelungen sind. Das summative Feedback, das ja mitunter recht lange auf sich warten lässt, ist ebenfalls nicht hilfreich in puncto Selbstwirksamkeit. Da steht oft ein unkommentierter Noteneintrag in der Lernplattform, die Arbeit an sich enthält keine oder unleserliche Ein-Wort-Anmerkungen, und insgesamt liegt der Fokus meist auf Fehlern oder, noch schlimmer, ausschließlich auf formalen Fehlern. Der Inhalt des Texts tritt in den Hintergrund – wurde er überhaupt gelesen?!? Am Ende drängt sich den betroffenen Studierenden der Eindruck auf, dass sie einen irrelevanten Text verfasst und diesen auch nicht sonderlich gut hinbekommen haben.

Durch all diese Faktoren kommt es zur gerade beschriebenen schicksalsergebenen Haltung, die sich leider oft in ungünstigen, also wenig schreibförderlichen Attributionsmustern verfestigt.

Was sind Attributionsmuster?

Wieder alltagssprachlich formuliert, handelt es sich bei Attributionsmustern um Erklärungsmuster. Menschen führen Geschehnisse auf bestimmte Ursachen zurück. Diese Ursachen können (1) in der Person oder außerhalb von ihr liegen, können (2) als dauerhaft oder vorübergehend angesehen und (3) sich nur auf einen bestimmten Bereich oder auch auf andere (ähnliche) Geschehnisse beziehen.

Wenn das Signal nicht auf grün umspringt, könnte das Kind an der Fußgängerampel also denken:

  • „Das funktioniert gerade nicht, vielleicht ist der Strom ausgefallen.“ (extern, vorübergehend)
  • „Die Ampel ist kaputt. Hoffentlich wird sie bald repariert.“ (extern, dauerhaft)
  • „Da habe ich wohl nicht fest genug gedrückt.“ (intern, vorübergehend)

Unwahrscheinlich wären Gedanken wie:

  • „Nie drücke ich fest genug!“ (intern, dauerhaft) oder gar
  • „Mir fehlt es einfach an technischem Geschick. Alles, was mit technischen Anlagen zu tun, ist nichts für mich.“ (intern, dauerhaft, global)

Auf den Studienalltag übertragen wäre bei positiven Erlebnissen ein Erklärungsmuster mit internen und vorübergehenden Gründen vorteilhaft („Ich konnte die Fragen in der Klausur gut beantworten, weil ich mich in der Vorbereitungsphase wirklich angestrengt habe.“) Denn Anstrengung kann gesteuert werden. Bei negativen Erlebnissen kommt es allerdings oft zu ungünstigen Mustern. Der Misserfolg wird auf interne und dauerhaft bestehende Gründe zurückgeführt, die dann auch noch verallgemeinert werden („Ich kann das einfach nicht, egal wie sehr ich lerne. Und in den anderen Modulen bringe ich auch nichts zustande.“). Das ist pessimistisch und macht im schlechtesten Fall handlungsunfähig. Denn wer so denkt, glaubt ja, dass auch große Anstrengungen nichts verändern werden.

Ein besseres Muster im Umgang mit Misserfolgen wäre, zunächst nach den eigenen Anteilen zu suchen (Habe ich mich nicht genug angestrengt?), dabei aber auch nicht in das andere Extrem zu verfallen und nur die Umstände für das negative Ergebnis verantwortlich zu machen (blöde Aufgaben, doofer Dozent usw.). Auch hier gilt wieder: Die eigene Anstrengung kann gesteuert werden, also sollte darauf der Fokus liegen. Gute Lehre unterstützt diese Denkweise durch entsprechende Rückmeldungen.

Hier kommen die Tipps zur Selbsthilfe

Stockt Ihr eigener Schreibprozess? Gerade wenn Sie sich in einem wenig schreibförderlichen Studiensetting mit schlecht informierten und wenig hilfreichen Lehrenden befinden, sollten Sie selbst aktiv werden.

  • Kaufen Sie ein Buch: Gönnen Sie sich einen Leitfaden zum wissenschaftlichen Arbeiten, der verschiedene Herangehensweisen vorstellt und keine eine, einzig wahre Art des Schreibens zum Dogma erhebt. Viele Schreibschwierigkeiten liegen darin begründet, dass die vorgestellte 0815-Anleitung nicht zum Ihrem individuellen Schreibprozess passt.
  • Etablieren Sie ein Feedback-Tandem oder eine Feedback-Gruppe: Suchen Sie sich Personen, denen Sie vertrauen und mit denen Sie gut zusammenarbeiten können. Lernen Sie, wie sie sich gegenseitig Feedback geben. Etliche Übungen finden Sie in „Zusammen schreibt man weniger allein“ von Fröhlich, Henkel und Surmann
    Rezension: http://www.wissenschaftliches-arbeiten-lehren.de/froehlich-henkel-surmann-raus-aus-dem-stillen-kaemmerlein/
  • Packen Sie das Problem bei der Wurzel und reflektieren Sie Ihre Attributionsmuster. Denken Sie an das Kind an der Ampel und seine Erklärungsmuster. Worauf führen Sie es üblicherweise zurück, wenn Ihnen negative bzw. positive Dinge geschehen? Achten Sie einmal darauf, ob Sie Gründe in sich oder Anderen suchen, ob Sie sie als dauerhaft oder vorübergehend wahrnehmen und ob Sie die Tendenz zu vorschnellen Verallgemeinerungen haben.
  • Suchen Sie sich externe Schreibberatung, falls Sie alleine nicht weiterkommen.

 

Dr. Andrea Klein – Dozentin, Coach und Autorin – lehrt seit vielen Jahren an Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien die Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens. Im Jahr 2019 hat sie den Online-Kongress „Studienfeuer“ ins Leben gerufen (www.studienfeuer.de). In hochschuldidaktischen Workshops teilt Andrea Klein ihre Erfahrungen mit Dozierenden und entwickelt mit ihnen Herangehensweisen für die Lehre sowie für die Betreuung und Begutachtung studentischer Arbeiten. Ihr Fachblog «Wissenschaftliches Arbeiten lehren» (www.wissenschaftliches-arbeiten-lehren.de) richtet sich ebenfalls an Dozierende.

 

Schlagwörter

Innerer Kritiker, Schreibblockade, Schreibintensive Lehre, Selbstcoaching, Selbstwirksamkeit, Wissenschaftliches Schreiben

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